Fahrt zur Vogalonga 2019

Zum zweiten Mal nach 2017 hat die FRGO an der Vogalonga in Venedig teilgenommen. Dieses Jahr sind wir mit einer Gruppe von 15 Ruderer*innen nach Italien aufgebrochen, darunter auch einige ehemalige Mitglieder – Markus und Laura aus Basel sowie Franz aus Freiburg. 

Entstanden aus Herrschertradition und Protest

Die Vogalonga zieht inzwischen Wassersportbegeisterte aus der ganzen Welt an. Zugelassen sind alle mit Muskelkraft betriebenen Boote. Neben Gondeln, Kanus, Kajaks, Ruderbooten und Drachenbooten haben sich auch Stand-up-Paddler auf die Lagune gewagt.

Meldeten sich zur ersten Vogalonga im Jahr 1975 noch circa 1.500 Personen mit etwa 500 Booten an, stieg die Anzahl der Teilnehmer*innen bis 2018 auf 8.350 mit 2.100 Booten. 2019 nun, zur 45. Vogalonga, hatten sich laut der Lokalzeitung „Il Gazettino“ 1.948 Teams und 7.410 „Vogatori“ aus 33 Nationen und fünf Kontinenten registriert.

Die Initiative zu diesem Event hatten einst einige Venezianer*innen ergriffen, die sich darum sorgten, dass der zunehmende motorisierte Schiffsverkehr den Verfall der Stadt beschleunigt. Wellenschlag der großen Schiffe setzt das Fundament aus Eichenpfählen, auf dem große Teile der Stadt ruhen, der Luft aus. So wird das Holz schneller morsch. Auch die Wiederbelebung der venezianischen Ruderweise lag den Vogalonga-Gründern am Herzen. Tatsächlich entstanden infolge dieser nicht-kompetitiven Regatta rund um Venedig etwa 50 Ruderclubs, die sich den alten Rudertraditionen widmen.

Die erste Vogalonga fand am Himmelfahrtstag 1975 statt. An diesem für die venezianische Geschichte bedeutsamem Tag wurde seit dem Jahr 1000 die Festa della Sensa gefeiert, die symbolische Vermählung des Dogen mit dem Meer. Der Herrscher der Seerepublik fuhr mit der Bucintoro genannten Staatsgaleere jenseits des Lido aufs offene Meer und warf einen Goldring in die Fluten. Begründet wurde die Festtradition anlässlich der Eroberung von Zadar und Split durch die Republik Venedig unter dem Dogen Pietro Orseolo II. im Jahr 1000. Damit konnte die aufstrebende Kolonialmacht slawische Piratenüberfälle auf venezianische Handelsschiffe eindämmen. Das Ritual sollte auch eine Warnung an die Slawen darstellen sowie die unberechenbare See günstig stimmen.  Mittlerweile findet die Festa della Sensa am Sonntag nach Himmelfahrt statt. Den Ring wirft anstelle des Dogen heute der Bürgermeister von Venedig ins Wasser.

Die Vogalonga ist inzwischen auf den Pfingstsonntag verlegt worden. Das ursprüngliche Anliegen der Vogalonga – eine Demonstration gegen den motorisierten Schiffsverkehr und die Verschmutzung der Lagune – ist heute nicht mehr auf den ersten Blick zu erkennen. Der Spaß, mit herausgeputzten Booten und in phantasievollen Kostümen an den schönsten Orten der Lagune vorbeizuschippern und im Finale den Canal Grande hinaufzufahren, steht im Vordergrund. Die prachtvollen Paläste im Stil von Gotik, Renaissance und Barock aus der Perspektive eines Ruderboots zu erleben und unter der Rialto-Brücke hindurchzufahren, ist schon ein besonderes Erlebnis.

Training und Abenteuer

Vor dem großen Ereignis haben wir uns mit Rudertouren in der Lagune rund um die Inseln Sant’Erasmo, Burano und Torcello vorbereitet. Der schiefe Kirchturm von San Martino Vescovo auf Burano und die Basilika Santa Maria Assunta auf Torcello dienten uns dabei als Orientierungspunkte. Um den Vaporetti und Motorbooten auszuweichen oder um den Weg abzukürzen, sind wir teilweise durch flaches Wasser gefahren. Dabei ist der Römer allerdings einmal auf Grund gelaufen, so dass alle aussteigen mussten, um das Boot wieder in tieferes Wasser zu ziehen.

Mit den langen Skulls unserer Boote haben wir uns nicht nur Freunde gemacht. Als wir einmal in einen Kanal von Torcello eingebogen sind, stellte sich heraus, dass dieser enger war, als es auf der Karte aussah. Da wir auch einige Motorboote umschiffen mussten, kamen wir teilweise nur paddelnd vorwärts und hatten Mühe, die Kurven zu nehmen. Ein Einheimischer reagierte entnervt, als Walter Braun als unser letztes Boot den Kanal durchquerte. Er fragte uns, warum wir uns mit Booten, die für die Lagunen-Inseln nicht geeignet sind, dort bewegten. Wenn wir vorher gewusst hätten, wie schmal der Kanal ist, wären wir bestimmt nicht hineingefahren.

Highlight unserer Ausflüge war eine Tour über die Adria. Wir sind zunächst über die Lagune an der Halbinsel von Cavallino entlanggerudert und dann in den Canale Casson eingebogen. Schließlich haben wir über den Fluss Sile die Adria erreicht und sind nach einer Mittagspause am Strand über die an diesem Tag nicht besonders wellige Adria gerudert. Als wir bei Punta Sabbioni wieder in Richtung Lagune steuerten, fuhr gerade ein riesiges Kreuzfahrtschiff in Richtung Adria. Trotz entsprechenden Abstands bekam die Mannschaft im Walter Braun die hohen Wellen, die dieses aufgewirbelt hat, noch zu spüren. 

Mitten im bunten Schwarm

Am Pfingstsonntag, dem Tag des großen Ereignisses, sind wir um 6 Uhr aufgestanden, um rechtzeitig vom Lagerplatz unserer Boote in Treporti aus mit Gartenfrisch, Römer und Walter Braun in der Bucht von San Marco anzukommen. Das Team im Römer hatte am Lido Mühe, sich durch die Wellen zu kämpfen und schaffte es nicht mit den anderen FRGO-Booten bis 9 Uhr zum Startpunkt der Regatta. Der Römer reihte sich bei den Giardini, dem Biennale-Gelände, in letzter Minute in den unübersehbaren Pulk von Booten aus aller Welt ein. 

Nach dem Kanonenschlag, der die Vogalonga eröffnet, war der bunte Schwarm in Richtung der Gemüseinsel Sant’Erasmo aufgebrochen. Die Strecke führte an den schönsten Orten der Lagune vorbei, den Inseln Burano und Mazzorbo sowie durch den großen Kanal von Murano. Zum Schluss ging es über den Canale di Cannaregio zum Canal Grande. Zwischen Murano und Venedig näherte sich ein Motorboot der bunt gemischten Schar der mit Muskelkraft angetriebenen Boote. Es wurde mit lauten Buh-Rufen empfangen. Für einen Moment schimmerte hier das ursprüngliche Umweltanliegen der Vogalonga dann doch einmal durch.

Die Brücke am Eingang des Canale di Cannaregio bildet ein Nadelöhr, durch das sich alle Boote zwängen mussten. Außerdem trieb die Strömung die Boote wieder in die Lagune hinaus, was für Stress und eine latent aggressive Stimmung sorgte. Die Gruppe in der wendigen Gartenfrisch konnte sich vor dem Römer und Walter Braun durch den Stau schlängeln. Unterhalb der Brücke standen Taucher im Wasser, um die Boote beim Manövrieren durch die Engstelle zu unterstützen. Vom Ufer aus zogen Helfer mit langen Haken Boote unter der Brücke hindurch. 

Mit der Ankunft im Canal Grande und der grandiosen Aussicht auf die berühmten Paläste war der Stress schnell vergessen. Nachdem am Ziel der Vogalonga nahe der Kirche Santa Maria della Salute die Medaillen und Teilnahmeurkunden ergattert waren, ging es wieder zurück nach Treporti. Um den Weg abzukürzen, haben wir Venedig auf Kanälen durchquert, was mit unseren Ruderbooten und den langen Skulls ziemlich mühsam ist. 

Die Gruppe im Römer hat bei Sant’Erasmo Jens, Daniel und Virginia in der Gartenfrisch wiedergetroffen, die sich dort bereits im Biergarten etwas erholt hatten. Zuletzt trudelte Walter Braun in Treporti ein. Insgesamt war es mit den 30 Kilometern Regatta plus circa 15 Kilometern Anfahrt nach Venedig und zurück durch teilweise sehr bewegtes Wasser eine sportliche Tour.

Abseits vom Rudersport

Die Ruhetage zwischen den Rudertouren haben wir für die Besichtigung von Venedig und teilweise zum Besuch der Kunst-Biennale genutzt. Letztere war auch außerhalb des Biennale-Geländes in der ganzen Stadt präsent. Die grellbunten Fellskulpturen der isländischen Künstlerin Shoplifter mit Kuschel-Effekt im Stadtteil Giudecca haben einige aus der Gruppe begeistert.

Gelohnt hat sich auch die Geduld, mehr als eine Stunde in der Sonne vor dem litauischen Pavillon auszuharren. Die Opern-Performance Sun and Sea in den Räumen des Arsenale war ein Highlight der Biennale. Drei litauische Künstlerinnen haben dafür verdienterweise den Goldenen Löwen erhalten. Auf dem in der Lagerhalle aufgeschütteten Strand besangen „Urlauber“ kritisch die ökologischen Folgen des Massentourismus sowie die Gleichgültigkeit gegenüber der durch diesen verursachten Naturzerstörung. Und das passte ja dann auch wieder ganz gut zur Vogalonga.